Mit der Neuwahl werden viele private Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte des öffentlichen Dienstes damit konfrontiert, dass ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin in das Schöffenamt gewählt wurde. Arbeits- wie dienstrechtlich bestehen oft Unsicherheiten über das, was auf den Betrieb oder die Behörde nun zukommt, wie sich Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte nun zu verhalten haben. Die nachfolgenden Hinweise sollen dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und den Schöffen eine konfliktfreie Wahrnehmung ihres Amtes zu ermöglichen.
1. Pflicht zur Übernahme des Amtes
Nach § 31 Satz 1 GVG ist das Amt eines Schöffen ein Ehrenamt. Dies bedeutet - neben der Tatsache, dass es unentgeltlich ausgeübt wird - vor allem die Verpflichtung, das Amt auszuüben. Wer gewählt ist, darf die Übernahme des Amtes nur unter den in § 35 GVG genannten Voraussetzungen ablehnen.
§ 35 GVG
Die Berufung zum Amt eines Schöffen dürfen ablehnen:
Dieser Katalog der Ablehnungsgründe kann nicht erweitert werden. Die unter dem Aspekt des Arbeitsrechtes wichtigste Befreiungsvorschrift ist die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage. § 35 Nr. 7 GVG eröffnet die Möglichkeit zur Ablehnung des Schöffenamtes dann, wenn eine so gravierende Belastung eintritt, dass die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen oder eines Dritten ernsthaft gefährdet ist. Aus dem Begriff „ernsthaft“ ergibt sich, dass noch nicht jeder wirtschaftliche Nachteil zur Ablehnung ausreicht, sondern dass die wirtschaftliche Grundlage durch das Schöffenamt bedroht sein muss. Eine ernsthafte Gefährdung der Existenz liegt nach der Rechtsprechung des BGH für einen Arbeitnehmer noch nicht bereits dann vor, wenn ihm sein Arbeitgeber mit Nachteilen in der Berufsausübung (bis hin zur Entlassung) droht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Schöffen von der Arbeitsleistung zur Ausübung des Schöffenamtes freizustellen. Hier für erhält der Arbeitnehmer den notwendigen arbeitsrechtlichen Schutz, so dass ihm im Rechtssinne keine wirtschaftlichen Nachteile drohen.
Auch die wirtschaftliche Belastung eines Dritten kann Grund für eine Befreiung vom Amt sein. „Dritter“ im Sinne von Nr. 7 kann auch der Arbeitgeber des Schöffen sein, wenn diesem durch den Ausfall des Arbeitnehmers wirtschaftliche Nachteile drohen. Denkbar ist dies vor allem in Kleinunternehmen des Handwerks oder des Dienstleistungsgewerbes.
Ein Ablehnungsgrund ist innerhalb einer Frist von einer Woche nach Entstehung oder Kenntnisnahme geltend zu machen. Ansonsten riskiert der Schöffe, dass er sich auf diesen Grund nicht mehr berufen kann.
Den Gerichten wird empfohlen, die Schöffen sofort zu benachrichtigen, wenn eine Sitzung nicht stattfindet. Der Schöffe hat die Pflicht, alles zu tun, damit er an der Hauptverhandlung teilnehmen kann. Er muss private Termine verschieben oder absagen, sich bei seinem Arbeitgeber entschuldigen, Vertretungen organisieren usw. Von dieser Arbeit kann man ihn entlasten, wenn er rechtzeitig über den Ausfall des Termins informiert wird.
§ 54 Abs. 1 und 2 GVG
„Gehindert“ ist ein Schöffe insbesondere dann, wenn er körperlich verhindert ist, bei Gericht zu erscheinen (Krankheit, Unfall usw.). Ob ein Erscheinen „unzumutbar“ ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung und der Dauer der Hauptverhandlung. Der klassische Fall ist der, dass ein Schöffe bereits seinen Jahresurlaub gebucht hat, bevor er seine Ladungen zum Termin bekommen hat. Aber auch in größeren Betrieben kann eine Situation auftreten, dass ein bestimmter Arbeitnehmer für eine Handlung unverzichtbar ist und bei seiner Abwesenheit größerer Schaden entstehen könnte. Die Unzumutbarkeit ist daher auch aus dem Blickwinkel des Arbeitgebers zu betrachten.
Unter bestimmten Umständen kommt eine nachträgliche Streichung gemäß § 52 GVG von der Schöffenliste in Betracht.
§ 52 Abs. 1 und 2 GVG
Im Falle des § 33 Nr. 3 gilt dies jedoch nur, wenn der Schöffe seinen Wohnsitz im Landgerichtsbezirk aufgibt.
Bei Hauptschöffen wird die Streichung nur für Sitzungen wirksam, die später als zwei Wochen nach dem Tag beginnen, an dem der Antrag bei der Schöffengeschäftsstelle eingeht. Ist einem Hilfsschöffen eine Mitteilung über seine Heranziehung zu einem bestimmten Sitzungstag bereits zugegangen, so wird seine Streichung erst nach Abschluss der an diesem Sitzungstag begonnenen Hauptverhandlung wirksam.
Diese strenge Einhaltung der Pflicht zur Ausübung des Amtes folgt aus dem Prinzip des gesetzlichen Richters.
3. Die richterliche Unabhängigkeit
Schöffen genießen die richterliche Unabhängigkeit in gleicher Weise wie die Berufsrichter. Dies regelt ausdrücklich § 45 Abs. 1 Satz 1 DRiG. Schöffen können deshalb vor Ablauf der Amtszeit gegen ihren Willen nur durch Entscheidung eines Gerichts abberufen werden. Die Unabhängigkeit umfasst aber auch die Freiheit von Weisungen und sonstiger Einflussnahme.
Zur Unabhängigkeit gehört vor allem die innere Unabhängigkeit. Da sich die Schöffen außerhalb des Beurteilungs- und Beförderungssystems der Justiz befinden, sind sie auch keinem informellen Einfluss ausgesetzt. Sie können ohne jede Rücksicht auf Erwartungshaltungen, Lob oder Tadel ihrer Auffassung Ausdruck verleihen, ohne dass sie Nachteile zu befürchten hätten. Der Schöffe ist ein wirklich freier und unabhängiger Richter.
Die Unabhängigkeit umfasst auch den Schutz vor Repressalien durch Privatpersonen.Hier ist insbesondere der Druck zu nennen, der von manchem Arbeitgeber auf solche Schöffen ausgeübt wird, die durch umfangreiche Sitzungstätigkeit häufig im Betrieb fehlen. Geschützt werden die Schöffen durch das Gesetz und die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung. Eine Kündigung, die im Hinblick auf die Schöffentätigkeit ausgesprochen wird, hat vor keinem Arbeitsgericht Bestand.
4. Der Schutz am Arbeitsplatz
Zentrale Vorschrift für die Freistellung des Schöffen und für seinen Schutz vor Benachteiligungen am Arbeitsplatz ist § 45 Abs. 1 a des Deutschen Richtergesetzes.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Schöffen von der Arbeit freizustellen, damit dieser seinen Pflichten nachgehen kann. Dazu gibt es eine ambivalente Haltung der Unternehmen. Größere Unternehmen sehen es oft als vornehme Aufgabe an, ihre Beschäftigten bei der Ausübung des Schöffenamtes zu unterstützen. Es wird nicht nur gerne gesehen, dass sich die Beschäftigten in dem Ehrenamt betätigen, oftmals wird nachgerade darum geworben, dass sich Interessenten zur Verfügung stellen.
Ein Engagement in dieser Richtung hebt auch das Image des Unternehmens. Nachvollziehbar ist, dass kleine Unternehmen Probleme haben, ihre Mitarbeiter freizustellen. Wenn in einem kleinen Bäckerbetrieb mit einem Meister und einem oder zwei Gesellen einer der drei (vielleicht auch noch in einem Verfahren mit mehreren Sitzungstagen) wegen des Schöffendienstes häufiger ausfällt, so kann dies an die Substanz des Betriebes gehen. In den letzten Jahren gibt es zunehmend Arbeitgeber, mittelständische Unternehmen wie öffentliche Verwaltungen, die ihren Arbeitnehmern große Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung des Ehrenamtes bereiten.
Aus § 45 Abs. 1 a DRiG ergibt sich, dass es sowohl untersagt ist, den Schöffen aufzufordern, die beim Gericht verbrachte Zeit nachzuarbeiten, für die Sitzungstage Erholungsurlaub zu nehmen oder ihn in der Entlohnung zu benachteiligen (z.B. indem man ihm bei Prämienzahlungen die Gerichtstage als Fehltage anrechnet). Ebenfalls untersagt ist, ihn in sonstiger Weise zu benachteiligen, etwa ihn bei Beförderungen oder Höhergruppierungen zu übergehen, weil er wegen seiner ehrenamtlichen Richtertätigkeit häufiger abwesend war. Gerade bei Teilzeitbeschäftigten wird oft vom Arbeitgeber gefordert, dass der Dienst mit einem arbeitsfreien Tag getauscht wird, wenn der Schöffendienst auf einen Arbeitstag fällt.
Ein solches Ansinnen ist untersagt, wenn es eine Benachteiligung des Schöffen darstellt.
Bei gleitender Arbeitszeit in einem Betrieb ist ebenso untersagt, nur die Kernzeit als entschuldigt versäumt gutzuschreiben und dem Schöffen zuzumuten, die in die Gleitzeit fallende Abwesenheit beim Gericht nachzuarbeiten. Dadurch ergäbe sich eine Benachteiligung gegenüber Mitarbeitern, die nicht zum Schöffendienst herangezogen werden. Der Schöffe müsste auch die doppelte Zeit arbeiten, nämlich die bei Gericht verbrachte Zeit und die unberechtigt geforderte Nacharbeit.
5. Entschädigung für Verdienstausfall
Soweit dem ehrenamtlichen Richter durch die Heranziehung ein Verdienstausfall entsteht, erhält er diesen erstattet (§ 18 JVEG). Der Anspruch ist aber zeitlich auf maximal zehn Stunden und finanziell auf maximal 20,00 € pro Stunde oder die erhöhten Sätze nach § 18 Satz 2 und 3 JVEG begrenzt. Entschädigt wird die Zeit, die der Schöffe im Gericht verbringt sowie die An- und Abfahrt. Kann ein Schöffe vor der Hauptverhandlung oder nach ihrem Ende nicht die Arbeit aufnehmen (z.B. Schichtarbeiter), wird auch dieser Ausfall erstattet.
Nicht unter diese Regelung fallen die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, da sie nach den Regeln der Sonderurlaubsverordnungen bzw. nach tarifvertraglichen Regeln (§ 29 Abs. 2 TVöD, § 52 Abs. 2 BAT) einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für die Ausübung des Ehrenamtes haben. Auch im privaten Gewerbe gibt es vereinzelt tarifvertragliche Vereinbarungen zur Fortzahlung des Lohnes bzw. Gehaltes. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst des Schöffen einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.
Teilzeitbeschäftigte erhalten gemäß § 17 JVEG für die Zeit bei Gericht, in der sie hätten arbeiten müssen, die Entschädigung für Verdienstausfall und – soweit sie einen Haushalt für mehrere Personen führen – für die Zeit außerhalb der Arbeitszeit die Entschädigung für Haushaltsführung.
Wird das Arbeitsentgelt eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers infolge einer Schöffentätigkeit gemindert, so kann er bei seinem Arbeitgeber beantragen, dass der Beitrag zur Rentenversicherung nach dem Arbeitsentgelt (bis maximal zur Beitragsbemessungs-grenze) berechnet wird, dass er ohne die Schöffentätigkeit erzielt hätte.
Der Antrag kann nur für laufende und künftige Lohnberechnungszeiträume gestellt werden. Der Arbeitgeber führt dann den vollen Beitrag ab. Er behält jedoch den normalerweise von ihm zu tragenden Arbeitgeberanteil, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt ohne ehrenamtliche Tätigkeit und dem Arbeitsentgelt mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit entfällt, vom Lohn bzw. Gehalt des Versicherten ein.
6. Steuern und Sozialabgaben
Der Verdienstausfall, der von der Gerichtskasse erstattet wird, ist – da er nach dem Brutto-Prinzip gezahlt wird und deshalb sowohl die Lohn- bzw. Einkommensteuer als auch die auf diesen Teil des Einkommens entfallenden Sozialabgaben enthält – wie das normale Einkommen zu versteuern. Zudem sind die enthaltenen Sozialabgaben an die einzugsberechtigte Krankenkasse zu entrichten.
Da der Schöffe kaum in der Lage sein wird, die entsprechenden Berechnungen vorzunehmen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Der Schöffe tritt seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Gerichtskasse an seinen Arbeitgeber ab. Dieser führt Steuern und Sozialabgaben dann an die zuständigen Stellen ab.
(Quelle: Ein kleiner Ratgeber für Arbeitgeber und Dienstvorgesetzte von Hasso Lieber)